Die Freundschaft zählt mehr als der Erfolg: Ein Mitglied von Frantic erzählt, wie sich die Band und die Musikszene Wil in den letzten Jahren verändert haben

Nach sechs Jahren hat die Wiler Band Frantic ein neues Minialbum veröffentlicht. Bandmitglied Michael Sarbach erzählt, wie es Frantic geht und blickt auf die Anfänge der Band sowie die Entwicklung der Musikszene in Wil zurück.

«Eine musikalische Momentaufnahme direkt aus dem puren Leben.» So beschreibt die Wiler Band Frantic ihr neues Album «Owls & Birds». Sechs Jahre nach der letzten Albumveröffentlichung erscheint nun dieses Minialbum mit acht Songs. Doch seit der Plattentaufe im Gare de Lion vor knapp zwei Monaten scheint es wieder ruhig um die Band geworden zu sein. Denn mit den neuen Songs geht Frantic nicht auf Tour.

In den vergangenen Jahren und auch seit der Pandemie habe sich einiges verändert, sagt Bandmitglied Michael Sarbach. Nebst dem Gitarristen und Sänger gehören auch Michael Gysel (Gitarre, Gesang), Barbara Egli (Bass), Nik Häne (Schlagzeug) und Christoph Inhelder (Piano, Synthesizer) dazu.

Sarbach sitzt auf einem Stuhl in einem der leeren Räume im Gare de Lion – er ist Teil der Betriebsleitung des Kulturbahnhofs. «Wir arbeiten in der Band nun projektbezogen», sagt er. Während der Pandemie ist es zu einer Pause gekommen, mittlerweile haben vier von fünf Bandmitgliedern Kinder. Die Bandproben sind unregelmässiger geworden. Die neuen Lieder habe man selbst produziert, ohne Labelvertrag. Man habe deshalb auch keine Verpflichtungen, sei nicht unter Druck, auf Tour zu gehen. «Punktuell werden wir Konzerte spielen.» Ganz nach dem neuen Motto:

«Wir machen das, was wir wollen und worauf wir Lust haben.»

Seit bald 20 Jahren machen Frantic zusammen Musik. Mit dem Album «Change» und der Single «Mr. Genius» gelang der Band 2007 der Sprung: Sie waren im Radio zu hören, hatten Auftritte in Fernsehsendungen, spielten auf der Hauptbühne am Open Air St.Gallen. «Wir hatten die Gelegenheit, noch mehr aus unserer Musik zu machen, das hat aber nicht für alle gestimmt», erzählt Sarbach. Man habe auch nicht das Ziel gehabt, einst von der Band leben zu können.

Mittlerweile sei die Freundschaft in der Band und die Freude an der Musik wichtiger geworden als irgendwelche Ambitionen. Man freue sich, wenn man neue Songs aufnehmen, Konzerte spielen oder an Open Airs auftreten könne. Aber die Band habe sich die Freiheit genommen, das zu machen, was für sie stimme, sagt Sarbach.

Auf der Strasse statt online

Nicht nur innerhalb der Band hat sich einiges geändert. In der Anfangszeit von Frantic, sah die Musikszene in Wil noch ganz anders aus. Es gab viele Bands, man veranstaltete gemeinsame Konzertabende. «Im Fass oder im Hofkeller: Überall, wo man etwas mieten konnte, haben wir uns eingemietet, zwei oder drei Bands zusammengetrommelt und gespielt», erzählt Sarbach von früheren Zeiten. In der damaligen Remise – im heutigen Gare de Lion – sei es fast unmöglich gewesen, aufzutreten. «Die Miete kostete ein paar tausend Franken, das Risiko war gross», erzählt der Musiker weiter, «aber wir haben zusammen mit anderen Bands den Laden immer gefüllt.»

Heute ist es anders. Es gibt weniger Bands, die Szene ist überschaubarer. Der Zeitgeist der 20-Jährigen sei auch anders, sagt Sarbach. «Während wir ein Sofa in der Obere Bahnhofstrasse aufstellten und Musik ohne eine Bewilligung spielten, machen sich die Jungen über Social Media bekannt.» Dafür sei es einfacher geworden, im Gare de Lion aufzutreten, sagt er. Ihm sei es wichtig, jungen Bands eine Plattform zu bieten, dies auch niederschwellig. So können junge Musikerinnen und Musiker Erfahrungen sammeln und ihnen steht eine professionelle Technik zur Verfügung. In Wil gebe es sonst kaum noch Möglichkeiten für grössere Auftritte.

Inzwischen könne man auch nicht mehr von einer Musikszene in Wil sprechen, sondern eher von der ganzen Ostschweiz. Ein wichtiger Anlass in den vergangenen Jahren sei der BandXost-Contest geworden. Dort sei eine grössere Vielfalt an Musikgenres anzutreffen. «Noch immer wird sehr viel elektronische Musik produziert, aber die Jungen wagen sich auch wieder an Hardrock, Funk oder Soul.» Sie würden sich mit der Musik auseinandersetzen, was schön sei, sagt Sarbach, der auch Teilzeit als Musiklehrer am Kathi Wil arbeitet.

Hürden in der Musikszene

Musik in der Ostschweiz zu machen, birgt Hürden – wie früher schon. Woran Bands oft scheitern würden, sei die Finanzierung der Musik. In anderen Kantonen werden im Pop/Rock-Bereich viel grosszügiger Gelder gesprochen als in St.Gallen. Die Einnahmen der Streamings würden nicht annähernd ausreichen, um ein Album zu produzieren, das schnell mehrere zehntausend Franken koste, erklärt Sarbach. Immerhin: Musikerinnen und Musiker werden von der Stadt Wil, der Förderplattform Thurkultur und dem Kulturverein Sound Sofa, in dem Sarbach ebenfalls mitwirkt, unterstützt.

Was in Wil herausfordernd bleibe, sei die Suche nach einem Bandraum. Frantic hat sich vor 20 Jahren in einem Raum in Zuzwil eingenistet und ist dort geblieben. Die Stadt helfe aber, einen passenden Raum zu finden, sagt der Musiker.

Was auch wichtig und wertvoll sei: Die Vernetzung zwischen den Bands. «Früher haben wir uns mit anderen Bands ausgetauscht, Tipps gegeben oder uns gegenseitig Equipment ausgeliehen.» Diese Vernetzung sei zum einen über BandXost möglich. «Vielleicht veranstalten wir im Gare de Lion wieder einmal eine Jam-Session, um blutige Anfänger mit erfahrenen Musikerinnen und Musikern zusammenzubringen», sagt Sarbach.

Einige Dinge hätten sich in den vergangenen Jahren gebessert, Rahmenbedingungen seien geschaffen worden, gerade auch durch lokale Bands wie Frantic. Sarbach sagt:

«Jetzt braucht es nur noch mehr junge, aktive Talente.»

Alles zu frantic: www.frantic-music.com

Quelle: Tagblatt, Sabrina Mauser, 5.1.2023

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