–> Zur Berichterstattung im Tagblatt (21.2.2024)
Kommentar / Votum:
Kinderarmut mit Familien-Ergänzungsleistungen wirksam bekämpfen
Der Bericht „Grundlagen der Familienpolitik“ hat klar aufzeigt, dass wir im Kanton St.Gallen bezüglich armutsgefährdeter Familien vor einer enormen Herausforderung stehen. Verschärft wird diese aktuell durch Kostensteigerungen in fast allen Bereichen. Tausende Familien sind armutsgefährdet und drohen in die Sozialhilfe abzurutschen. Trotzdem möchte die Regierung kategorisch auf das Instrument Familien-Ergänzungsleistungen verzichten. Dies entgegen der Empfehlung von verschiedenen Fachverbänden, welche Familien-EL als wirksame Massnahme zur Vermeidung von Familien- und Kinderarmut ausdrücklich empfehlen. Aus Sicht der Fraktion der Grünen ein unverständlicher Entscheid.
Wir wissen heute, dass Armut weitervererbt wird. Aus verschiedenen Gründen beziehen auch die nachfolgenden Generationen von sozialhilfeabhängigen Familien häufig selbst Sozialhilfe beziehen. Oberstes Ziel bei der Bekämpfung von Familienarmut muss es also sein, um (fast) jeden Preis zu verhindern, dass armutsbetroffene Familien in der «Einbahnstrasse Sozialhilfe» landen.
Auf den ersten Blick ist die Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen vor allem eines: sehr kostspielig. Im Gegensatz zu Giesskannen-Massnahmen wie allgemeine Steuersenkungen oder höhere Kinderabzüge ist die Hilfe bei diesem Instrument jedoch zielgerichtet und sie setzt genau dort an, wo die Hilfe dringend benötigt wird. Unserer Meinung nach sind Familien-EL das Instrument, bei welchem pro eingesetztem Franken am meisten Wirkung erzielt werden kann.
Zudem gibt es bereits vier Kantone, welche Familien-EL ausrichten und gute Erfahrungen gemacht haben. Im Kanton Waadt konnten sich über ein Drittel der betroffenen Haushalte selbständig wieder aus dem System der Familien-EL ablösen. Auch führte die Einführung zu mehr Chancengerechtigkeit auf verschiedenen Ebenen wie Wohnen, Gesundheit, Integration, Bildung und Arbeitsmarkt. So sind zum Beispiel Sonderbeschulungen oder die Gesundheitskosten nachweislich gesunken, signifikant mehr Kinder von Bezugsfamilien haben erfolgreich eine Berufsausbildung abgeschlossen und die Arbeitssituation der Eltern hat sich grundsätzlich verbessert. Familien-Ergänzungsleistungen dürften somit unter dem Strich nachhaltig zu tieferen Kosten und weniger Bürokratie im Sozialbereich führen.
Die Fraktion der Grünen möchte armutsgefährdete Familien dabei unterstützen, dass sie nicht in die Sozialhilfe abrutschen, primär eigenes Einkommen erwirtschaften können und eigenverantwortlich und unabhängig bleiben, anstatt Sozialhilfe-Schulden anzuhäufen. Auch möchten wir Kinder vor Armut schützen. Dazu reicht das bestehende Instrumentarium aus unserer Sicht nicht aus. Wenn wir eine nachhaltige Lösung möchten, dann muss die Einführung von Familien-EL ernsthaft geprüft und eine entsprechende Vorlage vorbereitet werden. Besten Dank.
Michael Sarbach, Kantonsrat
Bild: dpa