Klassenassistenzen werden an manchen Schulen auch für Aufgaben eingesetzt, für die sie nicht qualifiziert sind: Diesen Vorwurf erheben Bildungspolitiker verschiedener Parteien im St.Galler Kantonsrat. Die Regierung nimmt Stellung.
In vielen Schulhäusern sind sie eine willkommene Unterstützung und oft ein fester Teil des täglichen Betriebs: Personen, welche als Klassenassistenz die Lehrkräfte im Unterricht unterstützen. Die Rolle hat allerdings ihre Tücken. Im Kanton St.Gallen ist eine politische Diskussion darüber entbrannt, wie diese Assistentinnen und Assistenten in den Schulzimmern konkret eingesetzt werden. Bildungspolitikerinnen und -politiker aus verschiedenen Parteien äussern den Verdacht, dass die Klassenassistenzen teilweise auch in Bereichen tätig sind, für die ihnen die Qualifikation fehlt. «Klassenassistenzen statt pädagogisches Fachpersonal?» – diese Frage warfen Sandro Wasserfallen (SVP), Franziska Steiner-Kaufmann (CVP), Bernhard Hauser (SP), Jens Jäger (FDP) und Michael Sarbach (Grüne) im vergangenen Frühling in einem Vorstoss im Kantonsparlament auf.
In manchen Gemeinden «scheinen Klassenassistenzen Aufgaben von ausgebildeten Lehrpersonen zu übernehmen», heisst es darin. Sie würden teilweise Teamteaching-Lehrpersonen und auch heilpädagogische Fachpersonen ersetzen. Solche Tätigkeiten seien gemäss einer Handreichung des Amts für Volksschule eigentlich explizit ausgeschlossen. «Für einzelne Gemeinden besteht offensichtlich ein (finanzieller) Anreiz, Lehrpersonen und Schulische Heilpädagoginnen oder -pädagogen durch Klassenassistenzen zu ersetzen, vor allem, wenn es gerade an entsprechendem Fachpersonal fehlt», schrieben die Parlamentsmitglieder weiter. Sie verlangten von der Regierung Auskünfte dazu. Auch den Kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverband (KLV) beschäftigt das Thema. Es komme vor, dass Klassenassistenzen Kleingruppen oder einzelne Schüler teils halbe Tage lang allein betreuten, sagte Co-Präsident Patrick Keller gegenüber unserer Zeitung. Das sei äusserst problematisch.
Regierung sieht Schulgemeinden in der Verantwortung
Jetzt hat die Regierung geantwortet: Sie sieht in erster Linie die Schulgemeinden in der Verantwortung. «Klassenassistenzen sind nicht pädagogisches, ‹allgemeines› Gemeindepersonal, dessen Einsatz im Ermessen der Schulträger steht und freiwillig ist.» Eine Umfrage des Bildungsdepartements bei 23 Schulgemeinden im Jahr 2018 ergab, dass drei von vier Schulgemeinden solche Unterstützungspersonen einsetzen. «Aus den Feedbacks konnte geschlossen werden, dass sich die Schulträger der Grenze zwischen zulässiger Unterstützung und unzulässigem Ersatz der Lehrperson bewusst sind», schreibt die Regierung. Die Schulträger hätten dabei die Führung der Klassenassistenz durch die zuständige Lehrperson sowie das Funktionieren der Zusammenarbeit als «Herausforderungen» genannt.
«Keine Kenntnis» von Negativbeispielen
Auch die Regierung hält fest, es sei unzulässig, Klassenassistenzen im Einsatz den Lehrpersonen gleichzustellen. «Der fakultative Einsatz von Klassenassistenzen muss konsequent in Unterscheidung zum Lehrberuf erfolgen.» Beispiele von Schulgemeinden, welche Klassenassistenzen als Ersatz für Teamteaching-Lehrkräfte oder Heilpädagoginnen einsetzen würden, seien dem Kanton jedoch «nicht bekannt», heisst es in der Antwort.
Ob die Schulgemeinden die personalrechtlichen Vorgaben einhalten, wird vom Kanton stichprobenweise überprüft. Stellt die Aufsicht Verstösse fest, erhält die Schulgemeinde eine Frist, um den Mangel zu beheben, und wird danach ein weiteres Mal kontrolliert.
St.Galler Tagblatt, 4.8.2021, Text: Adrian Vögele, Bild: Imago