St.Galler Regierungsrat schliesst die Kirche aus dem Fach ERG aus – Ein Kommentar

Mit Bedauern habe ich den Entscheid des St. Galler Regierungsrates zu Kenntnis genommen, dass ab August 2021 nur noch Lehrpersonen der Schule das Fach ERG (Ethik, Religionen, Gemeinschaft) unterrichten dürfen. Das Wahlpflichtfach „ERG Kirche“, welches bislang in Zusammenarbeit mit Fachpersonen unserer Landeskirchen unterrichtet wurde, fällt in der aktuellen Form weg.

Was spricht denn heutzutage überhaupt noch für ERG Kirche? Einige Gedanken dazu:

Für Entwicklung der Menschheit, von Gesellschaften und auch Staaten haben die Kirchen und religiöse Einflüsse stets eine tragende Rolle gespielt – nicht zuletzt auch für unsere Schweiz. Praktisch alle Menschen haben eine Meinung zu Religion und feiern religiöse Feste. Die Auseinandersetzung mit christlichen Werten, Traditionen und Geschichte trägt somit einen wichtigen Teil dazu bei, die Gegenwart und unsere Gesellschaft verstehen zu können. Teil des Unterrichts ‘ERG Kirche’ war nicht nur das Kennenlernen von anderen Religionen und Weltanschauungen, sondern ebenso auch Fragen der Religionskritik.

Gerade Jugendliche haben in unserer globalisierten Welt und angesichts von multikulturellen und multireligiösen Lebenszusammenhängen ein Recht auf Religion, weil die Fragen nach Sinn, nach Leben und Tod, nach Gemeinschaft, nach Gerechtigkeit und Leid – und letztlich auch die Frage nach Gott – zentral sind und sie mögliche «Antworten» auch aus einem religiösen und ethischen Blickwinkel erfahren und diskutieren können. Das Fach ‘ERG Kirche’ nimmt sich Zeit für Auseinandersetzungen, die sonst im Stundenplan und im Familienalltag immer seltener ihren Platz finden: Warum gibt es mich? Wer bin ich? Wie soll ich leben? Welche Auswirkungen hat mein Verhalten auf andere Menschen? Was ist wirklich wichtig? Worauf kann ich mich verlassen? Die Bearbeitung dieser Themenfelder durch dafür speziell ausgebildete Fachlehrkräfte dient der Persönlichkeitsentwicklung und bereitet junge Erwachsene auf ihr Leben vor. Ich bin überzeugt: Wer die Grundlagen seiner eigenen Kultur kennt und sich mit seinen eigenen Überzeugungen auseinandersetzt, hat die besten Voraussetzungen dafür, echte Toleranz gegenüber anderen – auch nichtreligiösen – Überzeugungen und Kulturen zu entwickeln.

Ich selber habe die Erfahrung gemacht, dass Werthaltungen am authentischsten und nachhaltigsten von entsprechend ausgebildeten Fachlehrkräften vermittelt werden. Nicht zuletzt deshalb, weil diese sich – unabhängig vom oft hektischen Schulalltag – ausreichend Zeit dafür nehmen können und nicht noch die Funktion einer Klassenlehrperson haben oder andere Fächer unterrichten. Das heisst natürlich nicht, dass andere Lehrpersonen das nicht auch können und ich hoffe sehr, dass diese ihre Verantwortung wahrnehmen und die entstehende Lücke füllen.

Link: Artikel im Tagblatt

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